Abgeschossen

Meine (zahlreichen) Gespräche mit Protagonisten des Theaterstücks und des Films haben mir gezeigt, dass von 100 Personen, die im Zusammenhang mit Schirachs Terror über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reden, 99 Komma 9 dieses Urteil nicht gelesen haben. Sie quatschen herum, weil es ihnen zu schwierig ist, sich mit der Sache zu befassen, die sie auf „einfache“ Weise dem breiten Publikum nahebringen wollen. Statt des in der öffentlichen Diskussion schon vor zehn Jahren erreichten Argumentationsniveaus legen sie also das Niveau zugrunde, das sie selbst innerhalb von zwei oder drei Tagen erreichen können. Sodann unternehmen sie es, dieses Niveau wiederum „herunterzubrechen“ auf das Niveau, das ihre „lieben Zuschauer“ und „lieben Leser“ angeblich allerhöchstens erreichen können. Wir sind damit auf dem Level der Schwarzwaldklinik angekommen. Wer das kritisiert, wird der „juristischen Spitzfindigkeit“ geziehen oder – schlimmer – der „Abgehobenheit“.

Und:

Der Film faselt zwar über „Schuld“ und „Unschuld“, meint und erklärt aber etwas anderes. Dass er die grundlegende Kategorie der (strafrechtlichen) Schuld nicht kennt, ist ein fachlicher und ein künstlerischer Skandal zugleich. Entweder weil der Autor sie selbst nicht verstanden hat (was schlimm genug wäre), oder weil er sie vorsätzlich verschweigen will (was noch schlimmer wäre). Der Text des Stücks und all die „Belehrungen“, die man den Zuschauern, auch im Film, angedeihen lässt, machen es noch schlimmer – hier wird wahrlich alles durcheinandergebracht, was nur geht: Ein einziges Desaster der Unkenntnis, und mittendrin der liebe Zuschauer, der nun aufgefordert ist, in einer „realen“ Rechtsfrage auf der Grundlage der „realen“ Rechtslage eine „Entscheidung über Schuld und Unschuld“ zu treffen.

Das ist die größtmögliche Verarschung des Publikums. Wer Unrecht und Schuld in eins setzt, fällt um Jahrhunderte (!) hinter unsere Rechtskultur zurück und benutzt seine Zuschauer als Gaudi-Gäste für eine Rechtsshow der billigen Sorte.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem sehr langen Verriss des Films „Terror“, bei dem die Zuschauer am Ende darüber abstimmen durften, ob der angeklagte Pilot freigesprochen oder verurteilt werden sollte.

Thomas Fischer lässt in seiner Kolumne „Fischer im Recht“ kein gutes Haar an dem Film und dem zugrundeliegenden Theaterstück.


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