In der aktuellen Ausgabe von „Faszination Bibel“ beginnt eine dreiteilige Reihe, in der jeweils zwei Auslegungsmethoden einander entgegengestellt werden.
Das alles steht unter der Überschrift „Auslegungsmethoden im Wettstreit“. Den Anfang machen die „Bibeltreue Auslegung“ und die „Historisch-Kritische Auslegung“. In den nächsten Heften folgen die „Feministische“ gegenüber der „Linguistisch-Literaturwissenschaftlichen Auslegung“ und abschließend die „Tiefenpsychologische“ gegenüber der „Sozialgeschichtlichen Auslegung“.
An sich finde ich, dass das ein interessanter Ansatz für eine Artikel-Reihe ist. Leider habe ich ein paar Schwierigkeiten damit, wie das in der Praxis umgesetzt wird.
Zunächst wird durch das Format der Eindruck erweckt, als wären das sich ausschließende Methoden, die im Wettstreit miteinander stehen und die jeweils direkte Alternativen zueinander darstellen würden (auch wenn in der Einführung erwähnt wird, dass viele Methoden sich auch ergänzen können).
Theoretisch könnte man das prinzipiell für die ersten beiden gegenübergestellten Methoden behaupten – wobei selbst das nicht wirklich zutrifft, wie ich noch erwähnen werde. Das trifft aber ganz bestimmt nicht auf die nächsten vier Methoden zu. Es sind zwar verschiedene Ansätze der Auslegung, aber es sind keine sich als ausschließende Alternativen gegenüberstehenden Ansätze.
Das gilt in gewissem Maße sogar für die „Bibeltreue“ und die „Historisch-Kritische“ Auslegung. Die Schwäche an der Gegenüberstellung zweier Auslegungsansätze unter diesen Überschriften ist, dass beide eher Kategorien darstellen, die in einer gewissen Hinsicht Sammelbezeichnungen für sehr verschiedene Auslegungsansätze sind. Es gibt nicht die Bibeltreue Auslegung, genauso wenig wie es die Historisch-Kritische Auslegung gibt. Und beide stehen auch nicht in exklusivem Wettstreit miteinander, auch wenn in den Grundanliegen und -überzeugungen große Unterschiede zu finden sind.
Nach der Kritik am grundsätzlichen Format, möchte ich näher auf die Artikel selbst eingehen. Denn die grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden Ansätzen treten in den Artikeln hervor. Gleichzeitig kann man auch erkennen, dass es sich nicht um exklusive Alternativen handelt.
Zu Beginn jedes Artikels werden sowohl der Ertrag als auch der Weg der Auslegung genannt.
Der Ertrag bei der Bibeltreuen Auslegung lautet:
Die Auferweckung eines jungen Mannes durch Jesus von Nazareth zeigt diesen als verheißenen Messias und Sohn Gottes.
Der Ertrag bei der Historisch-Kritischen Auslegung lautet:
Mit der Erzählung von der Totenauferweckung zu Nain will Lukas zeigen, das Jesus ein göttlicher Wundertäter ist und man zu Recht an ihn als Herrn und von Gott Gesandten glaubt.
Das klingt auf den ersten Blick sehr ähnlich. Das Problem liegt in der exakten Wortwahl. Bei der Bibeltreuen Auslegung steht die Handlung selbst im Mittelpunkt, die etwas über Jesus aussagt. Damit wird auch die Handlung als solche als tatsächlich geschehen vorausgesetzt.
Die Historisch-Kritische Auslegung dagegen macht nur eine Aussage darüber, was Lukas als Verfasser des Evangeliums durch diese Erzählung über Jesus aussagen wollte. Ob die Geschichte so passiert ist gerät in den Hintergrund und ist für die Schlussfolgerung unerheblich.
In seiner Erklärung über den Weg zur Auslegung schreibt der Autor:
Was man „historisch-kritische Methode“ nennt, ist eigentlich eine Abfolge von Methodenschritten.
Der Autor bedient sich in seinem Artikel laut Selbstaussage zweier Methodenschritte: Die religionsgeschichtliche Methode und die redaktionsgeschichtliche Methode. Beide Methode haben die Entstehung des auszulegenden Textes im Blick. Die religionsgeschichtliche Methode fragt nach den inhaltlichen Vorbildern für das vorliegende Material, einerseits innerbiblisch, andererseits außerbiblisch.
Die redaktionsgeschichtliche Methode fragt nach der Entstehung des Textes als schriftliches Material an sich – textliche Anspielungen auf andere Texte, weggelassene oder hinzugefügte Passagen gegenüber den anderen Synoptikern etc. – und der Einordnung in das Gesamtwerk des Autors.
Damit wird ein Schwerpunkt der Historisch-Kritischen Auslegung deutlich: Sie blickt hinter den vorliegenden Text und versucht zu rekonstruieren, wie und mit welcher Motivation der Text entstanden sein könnte und wie der finale Text das Anliegen des Schreibers umsetzt.
Die hier verwendeten Methodenschritte können auch für die Bibeltreue Auslegung fruchtbar gemacht werden und stehen nicht notwendigerweise im Widerspruch zu ihr. Die Beobachtungen z.B. zu den Ähnlichkeiten zwischen dieser Geschichte und der Elia-Geschichte sind tatsächlich interessant (und werden in der Bibeltreuen Auslegung auch wahrgenommen, ohne dass diese Beobachtungen als separater Methodenschritt gekennzeichnet werden).
Und auch der Vergleich mit außerbiblischen Geschichten mit ähnlichen Inhalten kann aufschlussreich sein – wenn man sich dabei aber schnell von scheinbaren Ähnlichkeiten blenden lassen kann und übersieht wo es im Detail möglicherweise grundlegende Unterschiede gibt.
Genauso ist es wichtig z.B. die Evangelien als bewusst gestaltete Schriften zu verstehen und die Unterschiede z.B. bei den Synoptikern nicht zu ignorieren, sondern in die Auslegung mit einzubeziehen.
Wenn ich diese Methoden anwende und fruchtbar mache, dann muss ich nicht automatisch auch die Grundannahmen und Ergebnisse der Historisch-Kritischen Auslegung übernehmen. Nur weil es ähnliche Berichte wie den vorliegenden gibt, heißt das nicht, dass Lukas sich den Bericht ausgedacht hätte um eine bestimmte Botschaft zu transportieren. Und nur weil die Evangelien auch sorgfältig zusammengestellte Schriften sind, heißt das nicht, dass sie nicht auch den Anspruch besitzen, dass das, was sie beschreiben, auch so passiert ist.
Im Vergleich der Auslegungsansätze miteinander sollte man sich nicht in unnötige Oppositionen drängen lassen. Gleichzeitig sollte man auch nicht naiv sein und immer auch sehr genau darauf achten, was genau gesagt wird und was einer bestimmten Auslegung an Grundüberzeugungen zugrunde liegt.
Trotz mancher Bedenken über den Rahmen der Reihe finde ich die Idee dahinter sehr gelungen. Es kann nicht schaden, wenn man nicht nur über andere Methoden der Auslegung redet, sondern sich auch mit diesen selbst beschäftigt und vielleicht auch das Bereichernde an der einen oder anderen Methode zu entdecken.
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