Das Buch “Die Macht der Gewohnheit” wurde vom Journalisten und Pulitzer-Preis Träger Charles Duhigg verfasst. Es umfasst 432 Seiten und ist auf Deutsch im Piper Verlag erschienen.
In dem Buch möchte der Autor – wie der Titel schon ausdrückt – erkunden und nachzeichnen, was Gewohnheiten sind, was sie ausmacht, wie sie entstehen und wie sie sich verändern und zu Nutze machen lassen.
Das Buch gliedert sich dabei in drei Teile, die Gewohnheiten in einem jeweils weitläufigerem Rahmen betrachten. Er beginnt mit den Gewohnheiten beim einzelnen Menschen. Im zweiten Teil untersucht er, wie Gewohnheiten Unternehmen prägen und wie Unternehmen Gewohnheiten prägen. Im dritten Teil wird anhand des Montgomery Busboykotts – der der schwarzen Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King massiven Anschub verlieh – und anhand der Saddleback Valley Church um Pastor Rick Warren beschrieben, wie Gewohnheiten sich im Kontext von Gesellschaften und Bewegungen auswirken können.
Gewohnheiten bei Einzelpersonen
Zuerst beschreibt der Autor die historische Entstehung der Gewohnheitsforschung. Einen großen Schritt nach vorne machte die Forschung, als sie sich dem Thema anhand von Personen mit Gedächtnisstörungen näherte. Sehr aufschlussreich war vor allem die Beobachtung einer Person, deren Langzeitgedächtnis vollkommen gestört war, so dass die Person nach dem dafür verantwortlichen Unfall keine neue Informationen mehr dauerhaft aufnehmen konnte. Wer den Film “Memento” kennt, dem wird dieses Szenario bekannt vorkommen.
Als man diesen Mann nun begleitete, stellte man fest, dass er dennoch in der Lage war, sich neue Gewohnheiten anzutrainieren, selbst wenn er bewusst nicht in der Lage war das zu verstehen oder selbst wahrzunehmen.
Dieser Mann ist mit seiner Frau in eine neue Wohngegend gezogen, in der er sich überhaupt nicht auskannte. Seine Frau machte jeden Tag einen Spaziergang mit ihm und wählte dabei immer die gleiche Route. Eines Tages stellte die Frau fest, dass ihr Mann alleine aus dem Haus gegangen ist. Sie hat sich Sorgen gemacht, weil sie befürchtete, er würde nicht mehr nach Hause finden können. Nach einer Weile ist der Mann aber wieder zurückgekehrt. Am nächsten Tag hat die Frau wieder beobachtet, wie ihr Mann nach draußen gegangen ist und sie ist ihm gefolgt. Dabei hat sie gemerkt, dass er instinktiv die gleiche Route genommen hat, die sie zusammen abgelaufen sind. Wie einem Autopiloten folgend ging der Mann eine Runde spazieren und kehrte dann wieder nach Hause zurück. Sprach man ihn Unterwegs an, wo der Weg zu seinem Haus wäre, konnte er das nicht erklären. Bewusst kannte er den Weg nicht. Unterbewusst ist der Weg aber zu einer automatisch ablaufenden Gewohnheit geworden. Anhand gewisser Schlüsselmarker Unterwegs wusste sein Unterbewusstsein, welchen Weg er zu wählen hatte.
Auch andere, bewusst durchgeführte Untersuchungen bei diesem Mann haben bewiesen, dass er sich neue Gewohnheiten antrainieren konnte, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.
Durch die Beobachtungen an diesem Mann und bei ähnlich gelagerten, anderen Fällen hat man das, was man die “Gewohnheitsschleife” nennt, beschrieben.
Die Gewohnheitsschleife
Jede Gewohnheit setzt sich aus drei Elementen zusammen: Auslösereiz – Routine – Belohnung.
Es gibt immer einen Reiz, der eine Gewohnheit auslöst. Eine gewisse Uhrzeit, ein bestimmter Ort, ein gewisses Gefühl etc. Dieser Reiz stößt eine gewisse Handlung oder Verhaltensweise an. Wenn die Handlung oder Verhaltensweise zum Ziel gekommen ist, wartet eine Belohnung. Die Belohnung am Ende der Routine sorgt dafür, dass der Auslösereiz in Zukunft noch eher dazu führen wird, dass die Routine ausgelöst wird. Ohne Belohnung entsteht keine Schleife.
Je öfter diese Gewohnheitsschleife durchlaufen wird, umso automatisierter ist der Vorgang. Untersuchungen bei Ratten, die man einer bewusst gewählten Gewohnheitsschleife ausgesetzt hat, haben ergeben, dass die Gehirnaktivität in der Phase der Routine immer stärker abnimmt, je öfter die Schleife durchlaufen worden ist.
Eine fest etablierte Gewohnheit wird die Strukturen unseres Gehirns dauerhaft verändern und dazu führen, dass die Gewohnheit sich immer stärker in uns festsetzt und einbrennt. Das macht Gewohnheiten so mächtig und gefährlich. Denn alte Gewohnheiten lassen sich nur durch neue Gewohnheiten ersetzen, die man sich bewusst antrainieren muss. Das ist etwas, was sich die Anonymen Alkoholiker mit ihrem 12-Schritte-Programm zunutze machen.
Schlüsselgewohnheiten
Gewisse Gewohnheiten haben einen besonderen Effekt, der sich auf andere Gewohnheiten z.B. bei einer Person, aber auch bei einer Gruppe von Personen auswirkt. Diese Art von Gewohnheiten nennt man “Schlüsselgewohnheiten”.
Duhigg beschreibt, wie kleine, neue Routinen im Leben einer Person Auswirkungen auf andere Lebensbereiche dieser Person hatten. Ein Beispiel: Eine Gruppe von Menschen wurde dazu aufgefordert, alle privaten Geldbewegungen im Zeitraum einiger Wochen exakt zu dokumentieren. Bei einer statistisch signifikanten Gruppen von denjenigen, die das durchgezogen haben, hat man festgestellt, dass nicht nur deren Finanzen sich zum Positiven entwickelt haben. Bei vielen hat sich auch die Ernährung gesünder entwickelt, viele haben abgenommen, mit negativen Gewohnheiten wie Rauchen etc. aufgehört usw. Eine kleine neue Routine im Leben hat eine Kaskadenwirkung auf andere Lebensbereiche gehabt.
Gewohnheiten in Unternehmen
Gewohnheiten sind aber nicht nur mit Blick auf Einzelpersonen interessant. Auch für Unternehmen sind Gewohnheiten von großer Bedeutung. Einerseits prägen Unternehmen die Gewohnheiten ihrer Kunden oder Mitarbeiter. Das zeigt Duhigg am Beispiel der Zahnpflegemarke Pepsident. Die Werbung dieser Marke hat das Zähneputzen mit Zahnpasta als Gewohnheit bei amerikanischen Konsumenten etabliert. Ein weiteres Beispiel ist Procter&Gamble, das sich die Macht der Gewohnheit zunutze machte, um Febreeze in den Haushalten zu etablieren.
Starbucks ist ein Unternehmen, dass bewusst neue Gewohnheiten im Leben seiner Mitarbeiter trainiert und etabliert, um dadurch zufriedenere Kunden zu gewinnen.
Anhand von Alcoa – dem größten US Aluminiumproduzenten – und des Rhode Island Hospitals führt Duhigg aus, wie schlechte Gewohnheit einem Unternehmen schaden können. Und wie die bewusste Veränderung von Schlüsselgewohnheiten in der Unternehmenskultur ein Unternehmen auch wieder in die Erfolgsspur zurückbringen kann.
Zum Schluss demonstriert Duhigg anhand der Handelskette Target, wie Unternehmen sich unsere Gewohnheiten zu Nutze machen, um unsere Einkaufsgewohnheiten besser studieren, analysieren und kanalisieren zu können. Target ist durch seine Daten über seine Kunden in der Lage, am veränderten Einkaufsverhalten z.B. sehr genau festzustellen, wann eine Frau Schwanger geworden ist.
Gewohnheiten in Gesellschaften
Im letzten Teil geht Duhigg darauf ein, wie sich Strukturen in Gesellschaften durch Gewohnheiten einprägen. Anhand der Afro-Amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und den Busboykott in Montgomery – ausgelöst durch den zivilen Ungehorsam von Rosa Parks – und anhand der Gemeindegründung der Saddleback Valley Church durch Rick Warren zeigt Duhigg aber auch auf, dass es möglich ist, die Gewohnheiten größerer Menschengruppen zu verändern und welche Elemente dazu beitragen, damit das gelingen kann.
Fazit
Ich habe dieses Buch mit einer großen Neugier und Faszination durchgelesen. Duhigg beschreibt die Thematik auf sehr anschauliche und leicht verständliche Art und Weise. Seine Gliederung des Themas in die drei Teile ermöglichen einen sehr weiträumigen Blick auf Gewohnheiten und ihr große Bedeutung für den Alltag jedes Menschen, sei es auf persönlicher, organisatorischer oder gesellschaftlicher Ebene. Die Lektüre hat mir auch viel Anstoß zum Nachdenken darüber gegeben, wie man sich die Macht der Gewohnheit für das eigene Leben und für den Dienst fruchtbar machen kann. Das Buch ist aber auch eine Warnung davor, dass wir und unsere Gewohnheiten sich auch manipulieren und missbrauchen lassen.
Alles in Allem kann ich das Buch nur jedem empfehlen, der sich mit diesem Thema beschäftigen möchte.