Von Kirchen und Pferden

Johannes Wischmeyer, „Wir haben verstanden – Wie die evangelische Kirche wieder missionarischer wird“

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article248677702/KMU-Studie-Wie-die-evangelische-Kirche-wieder-missionarischer-wird.html

„Ja, die Kirchen müssen vor allem den Glauben gut vermitteln, um gegenzusteuern. Aber das können sie eben nur, wenn sie sich auch an politischen Erwartungen der Gesellschaft anpassen.“

Dieser Text erinnert mich an das berühmte Zitat, das Henry Ford zugeschrieben wird: „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt ’schnellere Pferde'“.

Der Autor verweist darauf, dass die meisten Befragten der Meinung sind, die Kirchen entwickeln sich inhaltlich in die richtige Richtung. Daraus kommt er zum Fazit, dass die Kirche diese inhaltliche Entwicklung weiterführen muss + etwas mehr Rückbesinnung darauf, dass sie ja irgendwie „christlich“ ist.

Ich bin da skeptisch. Ich zweifle daran, dass die Menschen, die diese Antwort gegeben haben, irgendwann mal überzeugte und engagierte Kirchgänger werden, nur weil die Kirche sich weiter im gesellschaftlichen Strom vorwärtsbewegt.

Denn was sollen die befragten Menschen, die augenscheinlich diese inhaltlichen Positionen selbst teilen, denn sonst antworten? Etwa: „Ach wissen Sie, ich würde mir wünschen, dass die Kirche sich mehr gegen den gesellschaftlichen Strom stellen würde und mehr rückwärtsgewandt wäre und weniger das vertreten würde, wovon ich überzeugt bin …“?? Natürlich wünschen sich die Menschen, dass die Kirche stärker die Positionen übernimmt, die sie selbst bereits teilen.

Das sagt aber gar nichts darüber aus, dass die Kirche dadurch durch-säkularisierte Menschen irgendwie für sich gewinnen würde. Sie stirbt auf diesem Weg nur halt langsamer. Denn natürlich würden sich noch viel mehr Menschen viel schneller von der Kirche abwenden, wenn sie sich plötzlich auf ihren Auftrag besinnen würde, das Evangelium von Jesus zu verkündigen.

Aber ob es nun 10 oder 50 Jahre dauert: Am Ende wird die Kirche so oder nur ein Schatten ihrer selbst sein, weil die Zeit der Volkskirchen zu Ende geht.

🇩🇪 KI und die Zukunft von Forschung und Lehre

Künstliche Intelligenz (KI) ist wieder in den Nachrichten. Wie jeder Technologietrend hat auch dieser seinen eigenen Nachrichtenzyklus, in dem er aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verschwinden scheint, um dann mit voller Wucht wieder aufzutauchen, weil ein neuer Durchbruch gelungen ist.

Vor ein paar Wochen war meine Twitter-Timeline voll von Bildern, die von KI-Websites und Anwendungen wie Dall-E oder Stable Diffusion erstellt wurden. Sie eröffneten einen völlig neuen Ansatz für die Bilderstellung. Man braucht nur ein paar Worte einzugeben, z. B. „Male eine Katze mit einem Hut im Stil von Picasso“, und die Software erstellt ein einzelnes Bild oder manchmal auch mehrere Bilder, die vermutlich der Beschreibung entsprechen. Und es funktioniert – mehr oder weniger. Manchmal ist das Ergebnis Müll, manchmal ist es aber auch unglaublich und umwerfend.

Erstellt mit Stable Diffusion

Vor ein paar Tagen begann man, über ChatGPT zu sprechen. Dieses Projekt begann 2018; die dritte Iteration dieser Idee, GPT 3, wurde im Jahr 2020 veröffentlicht. Der nächste Schritt wurde mit der Freischaltung von ChatGPT im Dezember 2022 gemacht.

GPT ist ein Projekt zur Generierung englischsprachiger Texte durch KI. Es verwendet keine vorgefertigten Textfragmente, sondern das Programm wurde durch das Crawlen großer Datenbanken mit Texten aus dem Internet trainiert.

ChatGPT ist eine Chatbot-Schnittstelle zu GPT 3, die es dem Benutzer ermöglicht, Fragen zu stellen und mit dem Bot durch Folgefragen und Zwei-Wege-Kommunikation zu interagieren. Der Bot „merkt“ sich die vorangegangenen Fragen und Themen in den Unterhaltungen und kann diese in sein eigenes Verständnis der Fragen des Nutzers und die Bildung seiner eigenen Antworten einbeziehen.

Es ist faszinierend, mit diesem System herumzuspielen. Einige Ergebnisse können komisch und entsetzlich sein. Dies scheint der Fall zu sein, wenn nicht genügend Quellenmaterial vorhanden ist, damit das System eine zuverlässige Antwort geben kann.

In anderen Fällen sind die Antworten punktgenau und erhellend. Es kann Ihnen Definitionen und Zusammenfassungen zu Themen präsentieren, die wirklich hilfreich sind. 

Ich habe GPT benutzt, um die religiösen Entwicklungen in der Periode zwischen dem Alten und dem Neuen Testament zusammenzufassen. Ein anderes Mal habe ich es benutzt, um die Hermeneutik zu definieren und zu erklären, wie sie sich von der Exegese unterscheidet. 

Die Antworten, die ich erhielt, waren gut genug, um sie ohne Änderungen für eine Vorlesung zu verwenden.

Das System ist natürlich noch lange nicht perfekt. Aber es zeigt, welches Potenzial in der Text- oder Bilderzeugung durch KI steckt. Und das eröffnet eine Reihe von interessanten Fragen.

Ich möchte zwei verschiedene Überlegungen dazu anstellen, was dies mittel- und langfristig bedeuten könnte. Zu Beginn muss ich eine Einschränkung machen: Ich bin kein Experte für KI-Technologie. Daher sind diese Gedanken natürlich mit Vorsicht zu genießen. 

KI und die Zukunft der Forschung

KI kann völlig neue Wege in der Forschung eröffnen. Ich habe darüber im Zusammenhang mit Software für das Bibelstudium nachgedacht. Dies könnte in der Tat ein völlig neuer Ansatz für die Nutzung digitaler Wörterbücher sein. Ich habe eine Sammlung von akademischen Wörterbüchern in meiner Accordance-Sammlung. Wenn ich mir einen Überblick über ein Thema verschaffen will, muss ich Suchanfragen – z.B. zu „Second Temple“ – in all diesen Büchern stellen, in der Hoffnung, dass ich alle Informationen finde, die ich brauche. 

Anschließend muss ich alle Ergebnisse durchgehen und alle relevanten Informationen Buch für Buch zusammenstellen.

In Wörterbüchern in Accordance nach Inhalten suchen

Ein völlig anderer Ansatz wäre es, so etwas wie chatGPT direkt in Accordance oder Logos als eine Art Forschungsassistent einzubinden. Ich würde dann nicht die verschiedenen Wörterbücher kaufen, sondern den Zugang zur KI-Datenbank als Abonnement. Diese Datenbank wird vom Anbieter daraufhin überprüft, ob sie zuverlässige Informationen enthält. Dann würde ich dem Bot Fragen zu bestimmten Themen stellen und die mir vorgelegten Ergebnisse weiterverfolgen, um bei Bedarf tiefer zu graben. Wenn ich für eine wissenschaftliche Arbeit Artikel oder Bücher zitieren muss, würde mich der Bot auf empfohlene Bücher oder Artikel verweisen, die z. B. für die Erstellung des Inhalts der Datenbank verwendet wurden. 

Und da es sich nicht nur um eine einfache Suchanfrage, sondern um einen echten KI-Bot handelt, könnte ich mit der KI interagieren, im Chat Ideen entwickeln und diese Ideen mit der verfügbaren Datenbank abgleichen. Das könnte einem helfen, die eigenen Ideen abzusichern, bevor man sie veröffentlicht.

Christoph Heilig veröffentlichte einen Twitter-Thread über eine „Konversation“ mit ChatGPT über die narrative Struktur von Römer und Galater mit einigen faszinierenden Ergebnissen.

Wir fangen gerade erst mit dieser Art von Interaktion an und es ist bereits unglaublich. Zukünftige Versionen werden nur noch besser werden und völlig neue Wege der Forschung eröffnen.

KI und die Zukunft der Lehre

Robert Lepenies, Universitätspräsident und Professor an der Karlshochschule, veröffentlichte einen weiteren Twitter-Thread darüber, wie KI die Zukunft des Lernens und Studierens an Universitäten beeinflussen könnte. 

Wenn Studenten mit Hilfe von KI Hausaufgaben und Referate schreiben, die nicht mehr von denen eines Menschen zu unterscheiden sind, stellt dies die Bildung vor völlig neue Herausforderungen. Was wäre der Zweck von Hausaufgaben, die jeder Student mit Hilfe von KI-Bots erledigt? Und da alle diese Arbeiten spontan erstellt werden und es sich nicht um bereits veröffentlichte Texte handelt, werden sie auch nicht durch die derzeit verwendete Plagiatssoftware gefunden. 

Das würde völlig neue Ansätze dafür erfordern, wie Bildung funktioniert und wie man Lernerfolge misst.

Diese Zukunft ist noch nicht da, aber sie ist auch nicht mehr weit entfernt. Und die Bildungseinrichtungen werden sich auf diese Veränderungen einstellen müssen, denn die Geschichte zeigt, dass ihre Schüler zu den ersten gehören werden, die das Potenzial der neuen Technologie entdecken.

Dieser Text wurde übrigens auch von einer KI übersetzt – mit nur wenigen manuellen Korrekturen -, die einen Ausblick auf die Zukunft des Übersetzens ermöglicht: http://www.DeepL.com/Translator

🇬🇧 AI and the future of research and learning

This article is also available in German.


Artifical Intelligence (AI) is back in the news. Like every technological trends it has its own news cycle where it seems do disappear from the public mind to then come back full force because a new breakthrough happened.

A few weeks ago my twitter Timeline was full of pictures created by AI websites and applications like Dall-E or Stable Diffusion. The opened up a completely new approach to image creation. You just have to type in some words like „Paint a cat with a hat in the style of Picasso“ and the software would create a single image or sometimes multiple images that presumably fit the description. And it works – more or less. Sometimes the output is garbage, other times it is incredible and mind blowing.

Generated with Stable Diffusion

A few days ago people started talking about ChatGPT. This project started in 2018, with the release of the third iteration of this idea, GPT 3, in 2020. The next step was made with the release of ChatGPT in December 2022.

GPT is a project for generating English written text by AI. It doesn’t use predefined text fragments, but the program was pretrained by crawling large databases of texts from the web.

ChatGPT is a chatbot interface to GPT 3. It enables the user to ask questions and to interact with the bot through follow up questions and two way communication. The bot „remembers“ the preceding questions and topic in the conversations and can incorporate that into its own understanding of the users questions and forming of its own answers.

It’s fascinating to play around with this system. Some results can be comically horrendous. This seems to be the case if there is not enough source material for the system to present a reliable answer.
Other times the answers are spot an accurate and enlightening. It can present you definitions and summaries for topics that are really helpful.
I used GPT to summarize the religious developments in the intertestamental period between OT and NT. Another time I used it to define hermeneutics and how it differs from exegesis.
The answers I received were good enough to be used for a lecture without any change.

The system is obviously far from perfect. But it shows the potential in text or image generation by AI. And that opens a can of interesting questions.

I would like to present two different thoughts about what this might mean in the midterm and longterm. I have to begin with a disclaimer: I am not an expert in AI technology. So this thoughts are obviously to taken with a grain of salt.

AI and the future of research

AI can open up completely different ways of research. I thought about this in the context of Bible study software. This could indeed be a completely new approach in digital dictionary usage. I have a collection of academic Dictionaries in my Accordance Collection. If I want to get a broad picture about a topic like „second temple“ I have to put in search requests spanning all of those books, hoping I will find all the information I need.
I then have to go through all of the results and gather all the relevant information book by book.

Searching for Topics in Dictionaries in Accordance

A completely different approach would be to include something like chatGPT directly into Accordance or Logos as a form of research assistant. I then wouldn’t buy all the different dictionaries, but access to the AI Database as subscription. This Database is vetted by the provider to include reliable information. Then I would ask the bot questions about topics and would follow up on the results presented to me to dig deeper where necessary. If I need to cite articles or books for an academic paper the Bot would point me to recommended books or articles that e.g. were used to create the content of the database.
And because it’s not just a simple search query but a real AI Bot, I could have real interaction with the AI, developing ideas through the chat and checking those ideas against the available database. That could help you to bulletproof your ideas before you go public with them.

Christoph Heilig published a Twitter Thread about a „conversation“ with ChatGPT on the narrative structure of Romans and Galatians with some fascinating results.

We are just starting with this kind of interaction and it is already incredible. Future iterations only will get better and open up completely new paths of research.

AI and the future of learning

Robert Lepenies, University President and Professor at the Karlshochschule, published another Twitter Thread about how AI might affect and influence the future of learning and studying at universities.

If students will use AI to write homework and papers that are indistinguishable from something a human wrote, then this will create completely new challenges for education. What would be the purpose of homework that every student does through AI bots? And because all of those papers will be created on the fly and are not already published texts you will not find them through plagiarism software that is currently used.

That would require completely new approaches to how education functions and how you measure success in learning.

This future isn’t there yet, but it’s not far away as well. And educational institutions will have to adapt to these changes, because history shows that their students will among the first to discover the potential of new technology.

Soziale Medien und Inhalte-Moderation

Die Hunter Biden Story zeigt die massiven Probleme bei der Inhalte-Moderation auf sozialen Medien: Prinzipiell ist es richtig, dass bestimmte Inhalte moderiert werden müssen. Das bestreitet niemand. Nicht einmal Elon Musk.

Die Frage ist nie, ob moderiert werden muss, sondern was, wie transparent und nach welchen Kriterien. Klar ist: Gesetzlich illegale Inhalte müssen moderiert werden, mit der Option eines Rechtsweges im Beschwerdefall. Und auch darüber, was gesetzlich verbotene Inhalte sind, muss es eine offene und breite Diskussion geben.

Die Hunter Biden Story zeigt aber, dass immer wieder aus falschen Beweggründen, unter falschen Vorwänden oder völlig intransparent eingegriffen wurde. Und das ideologische Motive dabei sehr wohl eine Rolle spielen.

Vor dem Wahlkampf 2020 wurde die Story auf Twitter und Facebook massiv weggedrückt. Wer auf die Geschichte hinwies wurde als rechter Verschwörungstheoretiker abgestempelt. Es wurde bestritten, dass es diesen Laptop überhaupt gegeben hat.

Jetzt wissen wir: Es gibt diesen Laptop und es ist tatsächlich eine Story, die zumindest Fragen aufwirft. Was auch immer dabei herauskommt. Man konnte aber nicht einmal diese Fragen stellen und ihnen nachgehen.

Zuckerberg hat zugegeben, dass sie diese Story bewusst moderiert haben. Bei Twitter ist es offensichtlich auch so gewesen. Die Begründung ist dann immer „Misinformation“, also die Sorge vor falschen Informationen. Unter diesem Vorwand wurden auch Themen zu Corona gelabelt oder ganz rausgehalten. Natürlich waren da auch abstruse Behauptungen dabei. Aber es traf auch berechtigte Fragen.

So galt es ganz am Anfang als Fehlinformation, wenn man Masken empfohlen hat. Sogar die WHO hat vom Maskentragen ohne besonderen Anlass abgeraten. Später war es aber genau umgekehrt: Wer die Effektivität von Masken ablehnte galt als Schwurbler. Bei den Impfungen wurde offiziell betont, dass sie die Verbreitung des Virus effektiv verhindern und dass es keine oder nur unbedeutende Nebenwirkungen gibt. Heute wissen wir: Beides stimmt nicht! (disclaimer: Ich bin geimpft und denke die Impfung ist sinnvoll gegen schwere Verläufe.) Wer dieses offizielle Narrativ aber hinterfragte, bekam in den Netzwerken tatsächlich Probleme.

Bei illegalen Inhalten – vor allem Aufrufe zu Gewalt und Beleidigungen – muss moderiert werden. Wobei auch da diskutiert werden muss, wie genau man das definiert. Der ganze Bereich der „Misinformation“ aber ist höchst problematisch, weil es stark subjektiv und ideologisch werden kann.

Für dieses Problem gibt es auch keine saubere Lösung. Entweder man filtert zu viel – und damit potentiell auch korrekte oder für eine Diskussion wichtige Inhalte. Oder man filtert zu wenig – und riskiert damit, dass Fehlinformationen weiter verbreitet werden.

Ich persönlich plädiere dafür eher Fehlinformationen zu riskieren, als die Debatte zu stark zu verengen und damit potentiell wichtige und korrigierende Positionen auszugrenzen. Eine aufgeklärte Gesellschaft sollte vom Ideal getrieben sein, dass die besseren Argumente sich am Ende durchsetzen, egal wie verworren der Weg dahin auch sein mag.

Und dort, wo man die besseren Argumente ignoriert, muss eine aufgeklärte Gesellschaft auch mit den Konsequenzen umgehen können, die das u.U. zur Folge hat.

The solution for the Misinformation Crisis

I know how to tackle the misinformatiom crisis on social media.

It’s pretty easy. Hear me out.

First step: you form a council of scientists. They meet regularly in meetings. Let’s call them „worldwide council of Rome“. Every local community of scientists sends a representative to this worldwide council. It could be located in other cities around the world.

Second step: The council chooses a head of the worldwide scientists community.

Third: The council chooses a body of the most important scientific books, let’s say 60-70. You could call it the canonical scientific library.

Fourth: The council then tackles the most important scientific questions through declarations that were formed in the worldwide council meetings. Those declarations consist of positive statements of truth and negative statements of denial of falsehood.

Six: Eveyone who wants to participate in the scientific dialog has to adhere to those stated truths that have always been believed in the scientific community worldwide and represent the basic scientific truths.

Science Books have to get an official imprint from the council to be used in universities etc.

And every scientist who diverges from the truths in the canonical Library or the declarations will be declared an outcast.

If you do it this way you can rightfully talk about „The Science“™ because you would have an secured and reliable pool of scientific knowledge …

Originally tweeted by Karl-Peter Karzelek (@kpk_eu) on 5. December 2022.