➡️ Des Wissenschaftlers neue Kleider

Vor 20 Jahren hat Alan Sokal einen inhaltsleeren Quatschartikel in einem wissenschaftlichen Fachjournal platziert, um deutlich zu machen, wie anfällig das ganze wissenschaftliche System dafür geworden ist, das anzunehmen, was irgendwie richtig klingt, ohne, dass man wirklich verstanden hat, was da eigentlich gesagt wird.

Jetzt hat sich das Ganze wiederholt und macht deutlich, dass der Wissenschaftsbetrieb scheinbar nicht wirklich dazu gelernt hat. Zwei Forscher haben einen Aufsatz mit dem Titel „THE CONCEPTUAL PENIS AS A SOCIAL CONSTRUCT“ in einem Sozialwissenschaftlichem Fachjournal publiziert. Der Text selbst wurde dabei unter Zuhilfenahme eines Zufallsgenerators für Texte erstellt, wobei die Forscher auch selbst Hand angelegt haben.

Das Journal arbeitet mit dem sog. „Peer Review“ – das bedeutet, dass andere Wissenschaftler den Text begutachten und dann entscheiden, ob er veröffentlicht werden soll oder nicht.

Jemand weist zurecht darauf hin, dass damit noch nichts über Gender-Studies an sich als vielmehr über ein disfunktionales Fachzeitschriften-System ausgesagt wird. Und trotzdem ist es für den ganzen Wissenschaftsbetrieb bedenklich, dass die „Selbstreinigungskräfte“ nicht ordentlich funktionieren. Das wiederum spielt Wissenschafts-Kritikern und -Skeptikern in die Hände.

Interessant wäre es zu prüfen, ob bestimmte Fachgebiete anfälliger für dieses Phänomen sind als andere. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das der Fall ein dürfte. Ich denke, es ist nicht Zufall, dass beide Hoax-Artikel in sozialwissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht worden sind. Wenn man sich ernst gemeinte Artikel wie „Glaciers, gender, and science – A feminist glaciology framework for global environmental change research“ und „The politics of heterosexuality—a missing discourse in cancer nursing literature on sexuality: A discussion paper“ vor Augen hält, dann kann man vom Titel und auch den formulierten Inhalten nicht sofort einen Unterschied zu dem Fake-Aufsatz erkennen.

Offensichtlich besteht in den Sozialwissenschaften eine größere Sorge davor, plötzlich als Wissenschaftler ohne Kleider dazustehen – sich also einzugestehen, dass man gar nicht versteht, was da überhaupt geschrieben worden ist -, als in anderen Wissenschaftsbereichen. Das aber wäre dann kein gutes Urteil über diese Fachrichtung als Ganzes.


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