Die rheinische Kirche hat eine Arbeitshilfe mit dem Titel “Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen” veröffentlicht. Wie der Titel bereits andeutet, reflektiert die Kirche darin ihren Auftrag in der Begegnung mit dem Islam.
Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeitshilfe ist die Auseinandersetzung mit dem “Missionsbefehl” in Mt 28,16-20. Dabei wird ein alternatives Verständnis der Verse nahegelegt:
Neben dem traditionellen Verständnis treten neuere Arbeiten, die eine Öffnung in der Interpretation ermöglichen. So legen exegetische Untersuchungen nahe, den Auftrag in V. 19 als eine Aufzählung zu lesen. Zentral ist dabei die Frage, wie der griechische Begriff matteteuein zu übersetzen ist. Es geht weniger darum, alle zu Anhängern Jesu (Jüngern) zu machen, als vielmehr sie als Schüler anzunehmen. Die Lehre Jesu soll in der Welt, unter den Völkern, bekannt gemacht werden. Wer zum Glauben kommt, der soll getauft werden. Eine zwangsläufige Abfolge ist damit nicht gemeint.
Die Bewegung hin zu den Völkern hat im Kontext des MT-Evangeliums daher weniger den Charakter des Befehls, die Welt zu missionieren und alle zu Christen zu machen, vielmehr geht es um die explizite Erlaubnis, die gute Botschaft auch unter den Völkern bekannt machen zu dürfen.
Damit soll bewusst eine Abgrenzung gegen ein aggressives oder aufzwingendes Missionsverständnis vorgenommen werden. Der Christ hat nicht den Auftrag, andere Menschen vom eigenen Glauben zu überzeugen. Stattdessen soll Jesus damit nur aussagen wollen, dass der Christ die Freiheit hat, von seinem Glauben zu erzählen und er hat die Freiheit, Menschen aus allen Nationen als Jünger aufzunehmen, wenn diese das möchten.
Darauf baut dann die restliche Arbeitshilfe auf, die vor allem den gemeinsamen Dialog betont und die Möglichkeit voneinander zu lernen. Das Ziel des Dialogs ist dabei nicht der Religionswechsel – auch wenn diese Freiheit bestehen darf – sondern das gemeinsame Zeugnis von Gott.
Zu diesem Missionsverständnis möchte ich anmerken: Natürlich hat Jesus nicht den Auftrag gegeben, der Welt den Glauben an ihn aufzuzwingen. Ein Christ soll bezeugen, aber er muss nicht überzeugen oder überreden. Und trotzdem ist die hier angeführte Auslegung in meinen Augen nicht haltbar. Vielmehr wirkt es so, als würde man hier eine Auslegung auswählen, die einem am Genehmsten ist.
Die klassische Auslegung wird dem Text am Ehesten gerecht. “Zu Jüngern machen” ist keine Erlaubnis, sondern eine Aufforderung. In Verbindung mit dem “Geht”, das als Partizip den imperativen Charakter des “zu Jüngern machen” übernimmt, wird daraus nicht einfach die Freiheit zu bezeugen, sondern der aktive Auftrag, das Zeugnis in die Welt zu tragen, damit Menschen in der Nachfolge Frieden mit Gott schließen können. Das haben offensichtlich auch die Jünger von Jesus so verstanden, ganz besonders Paulus, der seine Missionsreisen systematisch geplant hat und sich gedrängt sah, die Botschaft von Jesus aktiv in die Welt zu tragen.
Wer sich gegen ein aggressives Missionsverständnis – zu Recht – abgrenzen möchte, muss nicht auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Das Zeugnis von Jesus ist nicht einfach nur eine mögliche Perspektive auf das Wesen Gottes, die man durch andere Perspektiven ergänzen kann oder muss. Nur in Jesus begegnet uns Gott so wie er ist. Und nur durch Jesus findet der Mensch zu Gott. Das ist keine Metapher für die Suche des Menschen nach Gott. Jesus ist auch nicht nur das Vorbild für einen Menschen, der es wirklich ernst meint mit Gott. Jesus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (Kol 1,15) und Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Wenn die christliche Kirche diese Wahrheit auf ein fast schon passives Gesprächsangebot reduziert, dann tut sie niemandem einen Gefallen damit.