Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungen stellt eines ihrer Materialhefte kostenlos zur Verfügung, die Ausgabe 207 von 2010 mit dem Titel „Der Dan-Brown-Code: Von Illuminaten, Freimaurern und inszenierten Verschwörungen“.
Natürlich ist es kein Zufall, dass dieses Heft gerade jetzt zur Verfügung gestellt wird, blühen durch die Corona-Krise die Verschwörungstheorien wie Unkraut aus dem Boden.
Alleine der Artikel „Eine kleine Soziologie der Verschwörungstheorie“ Von Christian Ruch ist Goldwert. Dort erklärt der Autor mit knappen Worten, was Menschen dazu treibt, Verschwörungstheorien zu glauben und wie man diesen Menschen angemessen begegnen kann.
Einige Zitate aus dem Artikel:
Genau an diesem Punkt setzen Verschwörungstheorien an. Sie funktionieren in erster Linie als Erklärungsversuche, indem ein schwer verständliches, undurchschaubares Geschehen dadurch verständlich gemacht werden soll, dass man Schuldige ausfindig macht und sie benennt – im erwähnten Fall der Bankenkrise z. B. die Manager der Finanzinstitute oder irgendwelche Hedgefonds-Jongleure. Soziologisch gesprochen könnte man Verschwörungstheorien also als ein Verfahren zur Komplexitätsreduktion bezeichnen – oder anders gesagt: Man redet sich die eigentlich sehr komplizierten Verhältnisse einfach, indem man sich einen Sündenbock sucht.
Und als zweiter Faktor:
Verschwörungstheorien machen damit nichts anderes als Kontingenz zu negieren. Was ist damit gemeint? „Kontingenz“ ist neben „Komplexität“ der zweite Schlüssel- begriff der soziologischen Analyse unserer Gegenwart. Niklas Luhmann definierte Kontingenz als „etwas, was weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff bezeich- net mithin Gegebenes (zu Erfahrendes, Erwartetes, Gedachtes, Phantasiertes) im Hin- blick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen.“ … Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass auch Kontingenz schwer erträglich ist, und so strebt der Mensch nicht nur nach Komplexitäts-, sondern auch nach Kontingenzreduktion – dies schon deshalb, weil das Leben von hoch kontingenten Faktoren mitbestimmt wird, die sich dem eigenen Einfluss entziehen und gerade deshalb so nur schwer akzeptiert werden können: Ob ich beispielsweise gesund bleibe, ist nur ganz begrenzt von mir und meinem eigenen Handeln beeinflussbar, denn es hängt von kontingenten Vorgängen in meinem Körper und im Falle einer Krankheit ebenso vom kontingenten Handeln der Ärzte ab, die ja bekanntlich auch einmal einen schlechten Tag haben können.
Über den Umgang mit Menschen, die an solche Theorien glauben, schreibt er:
Dass man angesichts einer solch anschlussunfähigen, da autologischen Schließung nicht mehr diskutieren kann, versteht sich von selbst. Wer nämlich Indizien für eine Verschwörung sehen will, der findet sie auch – genauso wie ein eifersüchtiger Ehe- mann überall Indizien für die Untreue seiner Frau finden kann, wenn er sie nur finden will. „Daher kann niemand auch wirklich verrückte Verschwörungstheorien widerlegen, denn sie alle haben eine seltsame Schleife in ihrer Konstruktion: Jeder Beweis gegen sie funktioniert nämlich gleichzeitig als Beweis für sie, wenn man die Dinge so sehen will. Daher überlebt die Pop-Dämonologie der Verschwörungstheorie jede Kritik, genau wie ihre Cousine, die Theologie“, schrieb der amerikanische Verschwörungsexperte Robert Anton Wilson. Argumentativ gegen Verschwörungstheorien anzukommen ist also meistens ein ziemlich schwieriges Unterfangen.