Sterbehilfe: Das Angebot schafft die Nachfrage

Das umstrittene Urteil des Bundesverfassungssgerichts zur Sterbehilfe wird kontrovers diskutiert. Zum Glück sind sich die Kirchen in Deutschland in der Ablehnung einer Öffnung der Sterbehilfe einig.

Natürlich gibt es die Härtefälle, die uns emotional berühren. Und verständlich ist auch der Wunsch, diesen Menschen einen Ausweg aus dem Leid zu ermöglichen.

Das Problem ist nur, dass jede Entscheidung, die man mit Blick auf Einzelfälle trifft, potentiell nicht bei diesen Einzelfällen stehen bleibt, sondern die Türen für weitere Entwicklungen öffnet, die man ursprünglich gar nicht im Blick hatte.

Gerade bei der Frage der Sterbehilfe kann man das aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern sehr gut beobachten.

Die Zeit druckt ein Interview mit dem niederländischen Ethiker Theo Boer. Er war ein Gutachter in einer Prüfungskommission, die über Anträge zur aktiven Sterbehilfe befand.

Seine Erfahrungen mit den Entwicklungen der aktiven Sterbehilfe sind eine deutliche Warnung davor, diesen Weg weiter zu beschreiten.

Frage: Sie begutachteten bereits vollzogene ärztliche Sterbehilfefälle. Was können solche Untersuchungen denn noch ausrichten?

Boer: Sie hörten vielleicht von dem Fall einer demenzkranken Frau, die bei der Vollziehung Widerstand geleistet hat. In ihren Kaffee hatte man zwar ein Beruhigungsmittel getan, weil man schon fürchtete, dass diese Patientin vielleicht die Spritze nicht akzeptiert. Bei dem Prozedere ist sie aufgewacht und hat sich gewehrt. Die Familienmitglieder hielten sie fest und der Arzt tötete sie unter Anwendung von Zwang. Solche Ereignisse würden nie ans Licht kommen, wenn man das Prüfungsverfahren vor dem Tötungsakt einleitet statt hinterher.

Frage: Soll denn eine juristische Instanz über den Tod befinden?

Boer: Meine Vorstellung war auch, was man reglementiert, hat man im Griff. Das hat sich nicht bewahrheitet. Vielmehr hat sich gezeigt: Wenn man eine umstrittene Praxis legalisiert, stellt man sie in einem Schaufenster aus als Warenangebot. Ich habe feststellen müssen, dass das Angebot zum Teil tatsächlich die Nachfrage weckt.


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