Überraschend und erfrischend differenzierte Kritik am Umgang mit Xavier Naidoo und den Skandal um sein Lied „Marionetten“ von Marcus Klöckner auf „Telepolis“. Das ist ein Journal, dem man bestimmt nicht unterstellen kann, dass es irgendwie in der „rechten Ecke“ steht, eher im Gegenteil.
Ein sehr eindrückliches Fazit darin:
Das Absurde ist: Wir leben in einer Zeit, in der Medien voller Abscheu (zu Recht) auf das Totalitäre blicken, aber sie sind blind gegenüber dem totalitären Geist, der in ihrer eigenen Berichterstattung zum Ausdruck kommt.
Und am Ende kommt eine kleine Nachhilfe in Sachen „Qualitäts-Journalismus“. Unsere Medienlandschaft wäre besser dran, wenn sie das ernst nehmen würde:
Eine Presse, die ihre Berichterstattung nicht von ihren eigenen Vorurteilen leiten ließe, hätte sich zunächst einmal über die lange Geschichte der „Marionetten-Metapher“ kundig gemacht. Sie hätte mit Historikern, Literaturwissenschaftlern, kritischen Politologen, kritischen Machtstrukturforschern und Extremismusforschern geredet. Sie würden offen und ohne gleich in den Modus des obersten Anklägers der Nation mit Naidoo und seiner Band überzugehen, sie würde sich inhaltlich genauer auf die Aussagen des Liedes einlassen, recherchieren, perspektivieren, ihre Recherchen den Mediennutzern zugänglich machen, um ihnen selbst ihre Schlüsse zu dem Sänger, der vermutlich von jetzt an nur noch mit dem Adjektiv „umstritten“ in den Medien angeführt wird, überlassen.
Ich selbst habe keine Meinung zu dieser ganzen Diskussion, in der Hinsicht dass ich mich mit dem Lied von Naidoo nicht intensiv beschäftigt habe. Was mir aber definitiv auf dem Herzen liegt, ist, dass wir einen Journalismus haben, die ihren Job darin versteht, aufzuklären, zu beleuchten und einzuordnen – und so einen Journalismus haben wir nötiger denn je.
Aber gleichzeitig brauchen wir keinen Journalismus, der sich zu einer moralischen Instanz aufschwingt, die selbst festlegen möchte, was man sagen und denken darf und was nicht und der die Meinungs- und Redefreiheit auf diese Weise untergräbt.
Und auch wenn ich die schrillen Töne mancher Medienschelte nicht teile, sehe ich doch ungesunde Entwicklungen im Journalismus, die ernst genommen und auch korrigiert werden sollten. Leider jagt die Katze hier ihren eigenen Schwanz. Denn diejenigen, die diese ungesunden Entwicklungen aufdecken und bekannt machen sollten, sind diejenigen Journalisten, die selbst in dieser Entwicklung verfangen sind.
Quis custodiet ipsos custodes?