AFET: Vortrag 6 – Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen

Wie bei allen Vortragszusammenfassungen gilt auch hier: Das ist eine teils wörtliche, teils zusammenfassende, teils auch nur den groben Sinn wiedergebende Zusammenfassung des Vortrags. Ich gebe keine Garantie für Vollständigkeit und Genauigkeit.

Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen. Perspektiven theologischer Anthropologie

(Prof. Dr. Christoph Raedel, Gießen)

Prof. Raedel beginnt seinen Vortrag mit einigen einleitenden Beobachtungen:

Einige Geschlechterstereotype verlieren tatsächlich an Bedeutung.
Es gibt aber auch gegenläufige Trends, z.B. die Seggration bei den Ausbildungsberufen (Gender-Gap).
Es gibt also keinen eindeutigen, linearen Trend zur Geschlechtervermischung.

Die Frage, um die es geht, lautet:
Kann ich meine Geschlechtsidentität komplett selbst definieren?
Ist die Geschlechtsidentität komplett getrennt von der biologischen Konstitution?

Identitätskonstitution: Mann und Frau als Geschöpfe Gottes

Wir haben es mit dem Projekt „Selbstdefintion des Menschen“ in der Später-Moderne zu tun.
Aus christlicher Sicht gilt: Wer den Menschen verstehen will, muss über ihn hinausschauen. Das Wesen des Menschen definiert sich von seiner Beziehung zu Gott her.

Mit der Aufklärung wird dieses theozentrisches Verständnis abgelehnt und gegen ein anthropozentrisches Verständnis ausgetauscht: Der Mensch steht im Mittelpunkt und definiert sich selbst.

Für die christliche Anthropologie definiert sich das Personensein durch die Beziehung zum Anderen. Die Identität des Menschen ergibt sich aus seiner vertikalen (als Ebenbild von Gott und Christus) und horizontaler (Mitmenschen) Geschichte.

Ebenbildlichkeit markiert eine Grundunterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf, die voneinander getrennt und aufeinander bezogen sind.

Ebenbildlichkeit drückt sich auch in der Bipolarität des Menschen als Mann und Frau, die diese Ebenbildlichkeit gemeinsam ausleben.

Ebenbildlichkeit als Bestimmung zum soziokulturellen Wesen in der ewige Kommunikation mit Gott und in der endlichen Kommunikation mit anderen Menschen.

Die Geschlechtsdifferenz zeigt die Unvollkommenheit des Mannes als Spezies Mensch. Er benötigt das geschlechtliche Gegenüber um als Spezies bestehen zu können.
Beziehung braucht Nicht-Identität und Mitteilung, damit man nicht nur das eigene Reden widergespiegelt bekommt (Polare Dialogizität von Mann und Frau). Der Andere ist mir ein geheimnisvolles Gegenüber, das ich nur durch Kommunikation entdecken, aber nie ganz entschlüsseln kann.

Die Institution der Ehe ist eine Einladung Gottes, die wir entweder annehmen oder ablehnen, aber wir können sie nicht ändern, weil es nicht in unserer Autorität fällt, das zu tun.

Identitätswiderspruch: Sünde als Missverhältnis im Verhalten zu sich selbst und zu anderen

Das Natürliche (das, was in der Natur jetzt zu beobachten ist) ist nicht identisch mit dem Geschöpflichen (Die Welt, wie Gott sie ursprünglich geschaffen hat). Denn das Natürliche trägt durch den Sündenfall auch immer die Spuren der Sündhaftigkeit der Welt in sich.
Was die Schöpfung ist, was sich Gott mit der Schöpfung gedacht hat, ist uns nur noch zugänglich durch das, worauf uns Christus und die Schrift verweisen.

Der Mensch hat sich in einem Selbst-Widerspruch verfangen, der der menschlichen Identität im Weg steht und diese verzerrt (Kierkegaard und die doppelte Verzweiflung des Menschen).
Diesem Widerspruch entgeht der Mensch nur, wenn er sich als von Gott geschaffen verstehen und wenn er annimmt, wie Gott ihn gemacht hat.
Ein Schritt in die Annahme dessen hinein, wie ich von Gott gesetzt bin, ist die Annahme meiner Schwäche. Und der andere Schritt ist es, sich so zu sehen, wie Christus mich sieht und nicht wie ich mich selbst sehe und wahrnehme.

Identitätszuspruch: Geschlechtsidentität als „neue Schöpfung“ in Jesus Christus

Jesus war wirklicher Mensch als wirklicher Mann.

Seine Geschlechtsidentität war

  1. Einzigartig: Er wusste um eine irdische Mutter und einen himmlischen Vater
  2. Paradigmatisch (alltäglich): Seine Geschlechtlichkeit ist ebenso alltäglich und gehört zu ihm wie seine Volkszugehörigkeit, sein Intellekt etc.
  3. Programmatisch: Seine Lebensrealität als unverheirateter, kinderloser Mann sprengt die Erwartung und Vorstellung seiner Zeit, aber er hinterlässt keinen Krater der Verwüstung, sondern redet positiv von Ehe und Familie und verweist auf die Gemeinde als seine Braut

Kol 1,15 als Schlüsseltext: Jesus als das Bild Gottes.

Christus dient als Bild für den neuen Menschen und als Ausdruck der Gemeinschaft mit Gott.
Als neue Schöpfung in Christus kann ein Mann ohne Frau und eine Frau ohne Mann sein, aber der Leib Christi kann nicht ohne Haupt und das Haupt nicht ohne Leib sein.

Ersetzt die neue Ordnung und die neue Schöpfung in Christus die alte Ordnung von Geschlechtlichkeit und Ehe?
Für das Leben im anbrechenden Gottesreich sind die biologischen Eltern der Beziehung zur Familie Gottes nachgeordnet. Aber Christus steht im Mittelpunkt der Schöpfung und ersetzt sie nicht, auch wenn er darüber hinaus verweist.
Die natürliche Identität markiert ein Zugehörigkeitsverhältnis, das von der Herkunft her lebt; die ekklesiale Identität markiert ein Zugehörigkeitsverhältnis, das von der Zukunft her lebt. Und in der Gegenwart existieren beide miteinander verschränkt.
Der Mensch wird zuerst leiblich natürlich geboren und dann geistlich von neuem geboren.

Sowohl Ehe und Ehelosigkeit werden in der Bibel gewürdigt und legitimiert.

  • Die Ehe verweist auf die Bundesbeziehung Gottes zu den Menschen.
  • Die Ehelosigkeit ermöglicht einen für das Reich Gottes ganz verfügbaren und von nicht-konkurrierenden Freundschaft bestimmten Lebensstil.

Seine Identität leben: Geschlechterrollen und ethische Verantwortung

Der Verweis auf die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen sagt grundlegendes, aber noch nicht alles. Identität bewegt sich zwischen Konstitution und Konstruktion.
Die geschlechtliche Identität wird auch durch von außen herangetragene Stereotypen geprägt.
Stereotype sind nicht gänzlich negativ und enthalten oftmals einen wahren Kern. Sie werden negativ, wenn man sie unkritisch verallgemeinert und jedem aufdrängt.

Auf das Ganze gesehen gibt es gewisse Schwerpunkte mit Blick auf Mann und Frau, aber auf den einzelnen Menschen gesehen, finden sich Männer und Frauen auf der ganzen Bandbreite der Skala bestimmter Merkmale. Das darf man nicht ausblenden, weil man sonst die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten eines Menschen unangemessen einschränkt und seine Einzigartigkeit als Mensch ignoriert. (Beispiel: Matheolympiade: Von 36 Siegern waren 34 Männer, aber eben auch zwei Frauen. Also ein männliches Ungleichgewicht, aber keine Ausschließlichkeit).

AFET: Vortrag 5 – Geschlechterverhältnisse in der Erweckungsbewegung

Mitarbeiter(innen) Gottes: Geschlechterverhältnisse und Geschlechterrollen in der Erweckungs- und Missionsgeschichte des 19. Jahrhunderts

(Prof. Dr. Ulrike Treusch, Gießen)

Prof. Treusch sucht für ihre Untersuchung einen Alltags- und Lebensweltlichen Zugang; Sie möchte Mehrheitsverhältnisse beobachten und dann nach Aufbrüchen und Ausnahmen fragen.

Das bürgerliche Verständnis der Geschlechter im 19. Jahrhundert

Prof. Treusch beginnt ihren Vortrag mit Zitaten des bekannten Staatstheoretikers Welcker im 19. Jhrd.: rechtlich sind Mann und Frau theoretisch vom Menschenrecht her gleichgestellt, praktisch aber ist eine solche Gleichstellung seiner Meinung nach aufgrund der Wesensunterschiede von Mann und Frau nicht umsetzbar und nicht gewünscht.
Der typische Ausdruck für das Verhältnis von Mann und Frau ist die Ehe, sie ist der Rahmen um über dieses Verhältnis nachzudenken.
Mann und Frau leben als Ulme und Efeu in einer Symbiose, wo der Mann der Starke und die Frau die Schwache sind.
Im Übergang von der Landwirtschaft zur vorindustriellen Gesellschaft entwickelt sich eine Arbeitsteilung, wo die Frau zu Hause bleibt und der Mann in der Öffentlichkeit auftritt und zur Arbeit geht.
Der Aktionsradius der Frau reduziert sich vom großen Hof der Landwirtschaft und der Öffentlichkeit auf das Privathaus in der Stadt.
Ein Beispiel in der Dichtung für das typische Verständnis der damaligen Zeit findet sich in Friedrich Schiller: Die Glocke.

Die Idylle des bürgerlichen Haushalts war – vor allem für die unteren Schichten – sehr begehrenswert. Denn die Frauen hatten kaum ordentliche Arbeit zur Verfügung und die Hausarbeit war angenehmer als alle andere Arbeit, die zur Verfügung stand. Und der Mann musste nicht zu Hause hocken, sondern konnte die Gesellschaft anderer Männer in der Kneipe etc. genießen.

Das Vorbild für das bürgerliche Haus war das Pfarrhaus vom Land.

Durch den technischen Fortschritt und durch die Hilfe von Bediensteten, wenn die Mittel dafür da waren, entstand der Freiraum für die bürgerliche Hausfrau zu sozialen Engagement in der Gesellschaft.

Ledige Frauen und Männer wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, z.B. dadurch, dass gewisse Beförderungen nur verheirateten Männern offen standen
Für ledige Frauen standen nur gewisse Berufe offen. Daher das große Interesse am Beruf der Diakonisse.

Geschlechterverhältnis und -rollen unter den Erweckten

Die Erweckten übernahmen das bürgerliche Ideal von Mann und Frau und sahen es bestätigt und gefordert durch das biblische Zeugnis.
Dadurch wurde die Ehe als von der Schöpfungsordnung gegründete Institution noch einmal hervorgehoben.
Es gibt keine Herabsetzung der Frau und ihres Intellekts in den erweckten Schriften – wie es in anderen, außergemeindlichen Diskursen vorkommen konnte. Es wurde auch anerkannt, dass der Frau die gleiche Erfahrung der Erweckung und Gnade Gottes offen stand wie einem Mann.
Vor Gott sind alle gleich, in der Welt aber ungleich.

In der amerikanischen Erweckungsbewegung standen für Frauen vier weitere Rollen zur Verfügung:
– Sozialarbeiterin
– Pioniermissionarin
– Laienevangelistin
– Gemeindegründerin

Im englischen Raum konnten Frauen auch Reisepredigerinnen sein und Sonntagschulen gründen.

Dieser soziale Aufbruch der Frau kam aber in Deutschland nicht an, als die Freikirchenbewegung in Deutschland Fuß gefasst hat.

Gründe: Enge Zusammenarbeit zwischen Evangelischer Kirche und (preußischem) Staat, die die bisherige Ordnung aufrecht erhielten und fremde Einflüsse ablehnten.
Das prägte auch die Freikirchen, die um Akzeptanz des Staates rangen. Dazu gehörten auch die Übernahme des gesellschaftlichen Konsenses.

In diesem Zusammenhang stechen die einzelnen Frauen hervor, die sich öffentlich engagiert haben.

Der Stand der Diakonisse bot jungen Frauen eine Alternative zur Eheschließung mit Möglichkeit zur sozialen Arbeit und Ausbildung.

Die Diakonissenanstalten übernahmen aber das gesellschaftliche Familienmodell, mit dem Anstaltsleiter als Pater Familias und den Diakonissen als „Töchtern“ des Hauses.
Die Diakonisse kommt „unter die Haube“, kann sich öffentlich engagieren und doch im gesellschaftlichen Geschlechterkonsens verortet bleiben.

Geschlechterverhältnis von Mann und Frau in der Mission

Die Rolle der Missionarsfrau war die gleiche, wie die der bürgerlichen Hausfrau. Sie musste aber bekehrt sein. Sie wurde auf ihren Dienst nicht vorbereitet und nicht bezahlt.
Auf der einen Seite schritten die Missionare gegen Geschlechterungerechtigkeit (Misshandlungen von Frauen) auf den Missionsfeldern ein. Andererseits exportierten sie die klassischen Rollenvorstellungen ihrer eigenen Kultur bewusst oder unbewusst in die fremden Kulturen hinein.

Mit der Zeit gab es auch ledige Missionarinnen, die aber häufig das Missionsfeld verließen, wenn sie heirateten. Oder sie arbeiteten mit angelsächsischen Missionarsgesellschaften zusammen, wo sie größere Freiheiten hatten.
Offene Fragen waren der Predigtdienst der Frau und die Frage der Taufe durch Frauen.

AFET: Vortrag 4 – Ungerechtes Sozialsystem für Familien mit Kindern

Am Abend war Prof. Dr. Anne Lenze von der Universität Darmstadt zu Besuch. Frau Lenze engangiert sich im Bereich der Familien- und Generationengerechtigkeit. Sie ist u.a. an der Initiative Elternklagen beteiligt, die vor Gericht einzuklagen versucht, dass die Erziehungsleistung der Eltern bei den Beiträgen zu den Sozialsystemen angemessener berücksichtigt wird.

Familien als Packesel der Nation. Von der Privilegierung zur Diskriminierung von Familien in den deutschen Sozialsicherungssysteme

Am Anfang präsentierte Frau Lenze einige Zahlen:
Zur Zeit beträgt der Umfang der Familienförderung etwa 200 Mrd. € pro Jahr bei 600 Mrd. € Gesamtvolumen des BRD Haushalts auf allen Ebenen (Bund, Land, Kommunen) bei 8,1 Mio. Familien mit Kindern.

Seit Mitte 1970 hat sich die Zahl der in Deutschland geborenen Kinder halbiert. Insgesamt 24% der Kinder unter 15 Jahren wachsen in armen Familien auf, beziehen Hartz IV oder liegen knapp darüber.

Wo ist das Geld hin?

Ein großer Teil der Leistungen an Familien wird von den Familien selbst erarbeitet und durch Steuern etc. bezahlt

Steuer und Abgabensystem in Deutschland

Kindergeld

Wenn ein Kind geboren wird, dann verdienen die Eltern nicht automatisch mehr dazu, obwohl ein Verbraucher dazu kommt
Der Staat muss hier eingreifen und über die sekundäre Verteilung für einen Ausgleich sorgen

Vor einiger Zeit erging ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema: Der Staat darf das Existenzminimum nicht versteuern. Auch die Unterhaltspflichtigen Familienmitglieder erhalten steuerfreies Existenzmininum.

Grundfreibetrag für Erwachsene: 8472€
Kinderfreibetrag: 7152€

Der Grundfreibetrag für die Erwachsenen wird bei der Steuerberechnung automatisch einbezogen. Der Kinderfreibetrag dagegen nicht.
Der Kinderfreibetrag wird über das Kindergeld ausgezahlt. Das Kindergeld ist keine Sozialleistung. Der Staat versteuert zunächst das Existenzminium der Kinder und gibt es über das Kindergeld zurück.

Sozialversicherung

Die Rentenbeiträge eines Arbeitnehmers von heute sind komplett weg und gehen an die Rentner von heute.
Wir erarbeiten uns einen rechnerischen Anspruch darauf, dass uns spätere Generationen in einer gewissen Höhe im Umlageverfahren finanzieren.
Entgegen dem, was manche Arbeitnehmer glauben, zahle ich mit meinem Rentenbeiträge nicht auf mein eigenes Rentenkonto ein.

Wenn heute keine Kinder mehr geboren würden, gäbe es in 20-30 Jahren keine Renten mehr
Dabei muss man beachten: Jede Generation ist um 30% kleiner als die vorhergehende, weil zu wenige Kinder geboren werden.

Das bestehende Umlageverfahren funktioniert nur auf Dauer, wenn es maximal 10% Kinderlose gibt. Momentan liegt die Rate bei 27%.

Es gibt einen großen Teil Kinderlose und es gibt einen großen Teil mit mehreren Kindern und es gibt einen kleineren Teilt mit einem Kind. Es entsteht durch diese Spaltung ein Gerechtigkeitsproblem. Die Last ist einseitig verteilt auf die Familien mit mehreren Kindern.

Jedes geborene Kind bringt 77000€ mehr in die Rentenversicherung etc. ein, als es selbst in Anspruch nimmt. Das heißt, dass jedes geborene Kind – natürlich allgemein als statistischer Durchschnitt betrachtet – einen Überschuss für die Sozialsysteme erwirtschaftet, von dem die ganze Gesellschaft profitiert.

Indirekte Steuern (Verbrauchssteuer)

Verhältnis direkt/indirekte Steuern ist 50:50%. Das heißt, das Steueraufkommen des Staates teilt sich fast zu gleichen Teilen auf beide Arten von Steuern auf.
Indirekte Steuern sind unsozial, da jeder den gleichen Satz zahlt, unabhängig vom Einkommen. Bei niedrigen Einkommen geht ein größerer prozentualer Anteil für indirekten Steuern drauf, als bei höheren Steuern. Das ist bei den direkten Steuern, z.B. der Lohnsteuer, nicht so, weil dort höhere Einkommen stärker besteuert werden.

Eigenfinanzierung

Nach einer vorsichtigen Schätzung beträgt der Eigenfinanzierungsanteil von Eltern an allen familienpolitischen Leistungen 43,1%. Das heißt, dass die Eltern, das, was der Staat an sie ausschüttet, fast zur Hälfte selbst erwirtschaftet haben.

Der Staat nimmt den Familien die Sau vom Hof und gibt sie ihnen als Kotelett zurück (Zitat in Idea Spektrum)

Eltern, die einen monetären Beitrag zur Erziehung der Kinder leisten, sind im Alter schlechter gestellt als Kinderlose, die keinen solchen Beitrag leisten, aber davon profitieren. Wer sich darauf konzentriert, Kinder großzuziehen, und dafür weniger oder gar nicht arbeitet, leistet einen großen Beitrag dazu, die sozialen System zu erhalten, aber profitiert selbst anti-proportional dazu. Je mehr man sich in Kinder investiert, umso weniger profitiert man selbst von der Arbeitsleistung dieser Kinder, weil die eigene Rente deutlich geringer ausfällt als bei z.B. Kinderlosen.

Das aktuelle Steuern- und Ablagensystem produziert systematisch Familienarmut.
Aufschlussreich ist ein horizontaler Vergleich für z.B. 2015 zwischen Ledigen, Kinderlosen und Familien mit Kindern:

Klicke, um auf Horizontaler_Vergleich_2015_PDF_fr_Website.pdf zuzugreifen

Daraus wird deutlich – auch wenn die Tabelle etwas kompliziert zu erfassen ist, dass mit jedem Kind, das dazukommt, die finanzielle Situation der Familie immer schlechter wird, obwohl die Kinder später die sozialen Systeme des Staates durch ihre Beiträge erhalten werden. Die Familienförderung des Staates leistet einen unzufriedenstellenden Beitrag, um dieser Realität entgegenzuwirken und den gesamtgesellschaftlichen Beitrag der Kindererziehung angemessen zu würdigen.

AFET: Vortrag 2 – Die Weiterentwicklung von Lehre

Den zweiten Vortrag hat Prof. Dr. Oliver O’Donovan gehalten. Im Gespräch mit ihm habe ich herausgefunden, dass er gut befreundet mit N. T. Wright ist und ihn kennt, seitdem dieser 18 Jahre alt war. Das fand ich sehr spannend.

Sehr spannend war auch der Vortrag von Prof O’Donovan. Ich fasse den Vortrag mit eigenen Worten, teils wörtlich, teils aber sinngemäß und teils auch sehr frei zusammen.

Creation and Marriage: Can Doctrine Develop?

Die Lehre ist ein Gut der Kirche, das die Kirche verpflichtet ist, von Generation zu Generation weiterzugeben und in eine jeweils neue und veränderte geistliche und soziale Situation zu kommunizieren.
Die Aufgabe der Verantwortlichen der Kirche ist es, die Lehre der Gegenwart kohärent zu formulieren und in Kohärenz zur historischen Lehre der ganzen Kirche zu bringen, ohne den Raum zu nehmen für reformatische Bewegungen.
Lehre entwickelt sich über die Zeit, die Frage ist aber, wie man diese Entwicklung gestaltet und woran sie sich orientiert und welches Ziel sie hat.
Die Moraltheologie muss im Gespräch sein mit den pastoralen Dienern und auf deren Erfahrungen mit dem menschlichen Dasein und den menschlichen Herausforderungen hören. Ansonsten steht die Moraltheologie in der Gefahr, abgeschnitten zu sein von der menschlichen Lebenswelt und keinen relevanten Beitrag zum praktischen Christenleben zu liefern. Gleichzeitig muss die Moraltheologie treu zur Lehre Jesu und der Apostel sein. Sie muss gleicherweise mit einem Fuß fest verwurzelt in der Vergangenheit und mit dem anderen Fuß fest verwurzelt in der Gegenwart stehen.

Der Mensch muss in seiner Existenz in zwei Richtungen blicken: Auf seine animalischen Instinkte, die bedient werden müssen (Essen, Schlafen etc.) und auf seine sozialen, kognitiven und kommunikativen Beziehungen und Bedürfnisse.
Der Mensch darf keine der beiden Seiten vernachlässigen, sonst gerät sein Leben in Ungleichgewicht.
Die Freiheit und Kreativität des menschlichen Daseins ergibt sich und entfaltet sich nur dadurch, dass es gegründet ist auf seinem biologischen Fundament als soziales Säugetier.

Ehe „gehört“ nicht der Kirche und auch nicht dem Staat, damit sie es nach eigenem Gutdünken definieren können. Die Ehe „gehört“ Gott und den Verheirateten und Kirche und Staat können die Ehe nur als Vorgabe Gottes übernehmen und dafür ein Zeuge sein und diese Vorgabe im Leben umsetzen.

Einige Gedanken zum pastoralen Umgang mit dem Scheitern der Ehe: Der pastorale Dienst muss manchmal mit einem Abweichen von der göttlichen Norm umgehen, darf aber das Scheitern nicht zur neuen Norm erheben. Das Abweichen von der Norm muss immer als solches festgehalten werden – auch in der Liturgie -, selbst wenn man Wege finden muss, damit umzugehen. Diese sind aus göttlicher Sicht aber nicht ideal, sondern eine Ausnahme.

Die Entwicklung der Lehre muss zwar auf die Herausforderungen der Gegenwart reagieren, aber darf sich nicht von diesen Herausforderungen bestimmen lassen und die Ergebnisse vorgeben lassen, sondern muss von der festen Lehre der Bibel in die Gegenwart hinein sprechen und wirken.

AFET: Vortrag 3 – Christen und Medien

Als Gastredner war Karsten Huhn von der Nachrichtenagentur Idea eingeladen. Karsten Huhn hat den evangelikalen Gemeinden und Werken einerseits ins Gewissen geredet, sich vor den Medien nicht zu verstecken, selbst wenn diese nicht immer mit den besten Absichten kommen. Andererseits hat er sie ermutigt, eine proaktive und wohlüberlegte Medienarbeit zu planen.

Keine Angst vor dem Areopag. Warum und wie Kirchengemeinden mit säkularen Medien (zusammen)arbeiten sollten

Karsten hat den Vortrag mit Ausschnitten der Reportage „Mission unter falscher Flagge“ des NDR eingeleitet.

Evangelikale Medienarbeit steckt nicht in den Kinderschuhen – sie läuft meistens Barfuß

Karsten hat zunächste danach gefragt, woran es liegt, dass Christen in den Medien so schlecht wegkommen? Ist das so, weil die Journalisten feindlich gegen den Glauben eingestellt sind?
Tatsächlich sind 2/3 der Journalisten konfessionslos und viele haben keinen Bezug zur Religion. Manche sind gegenüber Religion auch sehr kritisch. Ein großer Teil kann mit Religion aber auch einfach nichts anfangen, ohne gleich negativ voreingenommen zu sein.
Journalisten können auch Freund und Helfer sein, wenn man etwas dafür tut.

Er hat auch daran hingewiesen, dass die Kritikpunkte, die die Medien in solchen Reportagen anbringen, nicht immer unberechtigt sind. Wir sollten diesen kritischen Blick auf uns selbst und auf uns naheliegende Werke etc. ernst nehmen und danach befragen, wo tatsächlich etwas korrigiert oder diskutiert werden müsste.

Ein wichtiger, sehr bekannter Grundsatz der Kommunikation gilt auch für die Medienarbeit: Man kann nicht nicht kommunizieren. Wenn man blockt, kann der dennoch erfolgende Beitrag nur negativ sein. Alles, was verfügbar ist von Einem im Internet etc., kann und wird gegen einen verwendet, weil man nichts anderes zur Verfügung hat. Der Betroffene kann den entstehenden Eindruck nicht korrigeren, wenn er nicht bereit ist sich zu äußern und seine eigene Perspektive zu vermitteln.

Er hat dann Beispiele aus dem Fernsehen geliefert, wo Evangelikale positiv dargestellt werden und diese selbstbewusst und wohlüberlegt mit den Medien umgegangen sind.

Zum Schluss hat Karten sechs Denkanstöße für den Umgang mit Medien weitergegeben:

  1. Jedes christliche, jede Gemeinde tut gut daran sich damit zu beschäftigen, wie man mit Medien umgeht. Und zwar nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen fällt, sondern proaktiv. Karsten erinnert dabei an Paulus auf dem Areopag. Das war das Forum der damaligen Zeit, wo man sich über Neuigkeiten informiert und ausgetauscht hat – die Medien sind der Marktplatz der Gegenwart. Auf der anderen Seite fordert Petrus uns auf: seid allezeit bereit zur Verantwortung vor Jedermann der euch zur Rechenschaft auffordert über eure Hoffnung. „Jedermann“ beinhaltet auch die Medien unserer Zeit.
  2. Wie arbeiten Medien? Medienarbeit aktiv kennenlernen, Redaktionen besuchen etc.
  3. Wenn Journalisten sich melden: Namen und Medium notieren und dann recherchieren. Nachfragen, worum genau es gehen soll und nach welchen Spielregeln. Rat von außen holen. Man kann im Gespräch mit Journalisten selbstbewusst auch den Rahmen abstecken, innerhalb dessen man das Gespräch mit ihnen sucht.
  4. Am Ende taucht man meistens nur ein oder zwei mal mit O-Ton in einem 2-Minuten Beitrag auf. Wenn man das weiß, dann kann man vereinbaren, dass man ein Hintergrundgespräch ohne Kamera führt und dann für zwei oder drei Zitate die Kamera anmacht.
  5. Man muss sich sehr gut darauf vorbereiten und überlegen, welche Botschaft man vermitteln möchte. Man sollte üben, die eigene Botschaft in unter einer Minute zu kommunizieren.
  6. Nach einer bereits erfolgten Aufnahme und Ausstrahlung sollte es eine Reflexion der abgedrehten Sendung mit kompetenten Beratern geben, um zu lernen, was man das nächste Mal besser machen könnte.